Zum Hauptinhalt springen
 
| TOP-Meldung, Nachrichten, Mädchenschach

Der Mädchen- und Frauenschachkongress - Unsere Mädchenreferentin berichtet

Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Anteil der Schach spielenden Mädchen und Frauen hinter dem der Jungen und Männer weit zurück liegt - nur 13% der Kinder und Jugendlichen sind Mädchen, bei den Erwachsenen ist die Diskrepanz sogar noch größer. Doch woran liegt das und welche Mittel und Wege gibt es, Mädchen für Schach zu gewinnen und sie auch mit steigendem Alter dabei zu behalten?

Der Mädchen- und Frauenschachkongress scheint sehr gut besucht. In vorderster Reihe Anna-Blume, unsere Referentin für Mädchenschach

Anna-Blume bewirbt auf dem Instagram-Account der Deutschen Schachjugend den Mädchen- und Frauenschachkongress.

Ein Blick in die altehrwürdige Stadt, Weimar! Nicht zuletzt bekannt durch Goethe und Schiller. Dieses Jahr hat sie Schachdeutschland durch die Ausrichtung des "Mädchen- und Frauenschachkongress" verzaubert

Seit nunmehr 7 Jahren wird sich bei dem von der Deutschen Schachjugend ausgerichteten Mädchen- und Frauenschachkongress mit dieser Fragestellung beschäftigt. Die Vielseitigkeit der Methoden, die Vereine und Schachverbände in ganz Deutschland ergreifen, um Schach für Mädchen und Frauen attraktiver zu gestalten, konnte ich bereits beim Mädchen- und Frauenschachkongress vor einem Jahr kennen lernen. Damals hat mich Eberhard Schabel, der in einer offenen Diskussionsrunde vom Mädchenschach bei TuRa Harksheide berichtete, davon überzeugt mitzukommen. Somit habe ich mich sehr gefreut, auch dieses Jahr eine Einladung zum Kongress zu erhalten und diesen besuchen zu können.

Nachdem er letztes Jahr in einem kleinen Ort namens Mettmann in der Nähe von Düsseldorf statt fand, kam als Bonuspunkt hinzu, dass sich die DSJ dieses Jahr für die als Namensgeber der Weimarer Republik sowie als ehemaliger Wohnort von Goethe und Schiller bekannte Stadt Weimar als Veranstaltungsort entschieden hatte.

Nach der fünfstündigen Anreise am Freitag startete der Kongress noch am selben Abend mit einer kurzen Begrüßung durch Jörg Schulz, den Geschäftsführer der Deutschen Schachjugend, sowie Dan Peter Poetke, den Referenten für Frauenschach des Deutschen Schachbundes. Anwesend waren zahlreiche Mädchen- und Frauenschachreferentinnen und Referenten anderer Bundesländer sowie mehrere Vorstandsmitglieder der DSJ und des DSB, außerdem einige Trainer und Betreuer. Aus Schleswig-Holstein waren neben mir eine Delegation der SF Wilstermarsch sowie Malte Ibs dabei.

Nach der Begrüßung ergriff Katrin Heybrock das Wort. Sie spielt selbst erst seit wenigen Monaten Schach und erntete, als sie ein Youtube-Video über eine Partie zwischen Sofia Polgar und Viktor Kortschnoi zeigte und vorweg sagte, dass sie von den beiden Spielern noch nie etwas gehört habe, von den größtenteils langjährigen Vereinsspielern im Raum etwas verdutzte Blicke. Diese verschwanden allerdings im Laufe ihres sehr interessanten Vortrags. In etwa einer halben Stunde präsentierte sie die Hamburger Organisation "Schachbretttulpen", eine Alternative für Frauen, die Schach spielen wollen, dies aber weniger als Leistungssport, sondern als Ausgleich zum Alltagsstress und als Beisammensein mit Freunden betrachten. Einmal pro Monat finden unverbindliche Treffen in verschiedenen Restaurants oder Kneipen statt, wo die Frauen gemeinsam Schachaufgaben lösen und gegeneinander spielen. Eine meiner Meinung nach sehr schöne Idee, bei Frauen, die berufsbedingt nicht die Zeit für regelmäßiges Training und Ligaspiele haben, Interesse am Schach zu wecken beziehungsweise aufrechtzuerhalten.

Als nächstes berichtete Jörg Schulz von den neuesten Entwicklungen der Mädchen- und Frauenschachsparte in Berlin, unter anderem von der Gründung des 1. Mädchen- und Frauenschachvereins. Wirklich sehr faszinierend, zu hören, wie andere Landesverbände das Mädchendefizit bekämpfen wollen. Die Mädchen treten diesem Verein bei, bleiben aber gleichzeitig Mitglied in ihrem ursprünglichen Verein, werden jedoch nun gesondert gefördert.

Für den nächsten Tag waren vier Blöcke zu verschiedenen Themen vorgesehen, von denen der erste um 9:00 startete. Germaine Kickert, Bundesliga-Spielerin beim SK Delmenhorst, stellte den Inhalt ihrer Masterarbeit vor, welche den Titel ""Spiel nicht wie ein Mädchen" - Von der destruktiven Kraft negativer Stereotype" trägt. Nachdem wir einige Klischees über Mädchen und Frauen beim Schach zusammengetragen hatten, erklärte sie uns die sogenannte "Stereotypenbedrohung": Der Effekt, dass die Spielerinnen durch das Wissen um die Vorurteile, die beispielsweise ein männlicher Gegner hat, unter Druck gesetzt sind und deshalb nicht befreit aufspielen, wodurch die Stereotypen erfüllt werden. Dies wirkt sich natürlich demotivierend auf die Spielerinnen aus, die die Klischees, welchen sie entgegenwirken wollen, bestätigt sehen. Ein meiner Meinung nach wirklich interessantes Thema! Der Vortrag endete mit einer Aufgabe für die Teilnehmer, die in mehreren Gruppen die "Kopfstandmethode" ausprobierten und sich darüber Gedanken machten, wie man Vereinsabende oder auch Jugendtraining besonders unattraktiv für die Mädchen gestalten kann. Am Ende stellte jede Gruppe ihre Vorschläge vor und es kamen sehr kreative und lustige Ideen heraus (bei Interesse wendet euch gerne an Malte,der ist in der Aufgabe voll aufgegangen).


Für den zweiten Block, der um 11:30 startete, durfte sich jeder Teilnehmer im Voraus für einen von drei Workshops entscheiden. Ich wählte den von der Referentin für allgemeine Jugendarbeit des DSJ Isabel Steimbach gehaltenen Workshop "Selbstbewusstsein von Mädchen stärken". Sie erzählte uns von dem unterschiedlichen Umgang von Mädchen und Jungen mit beispielsweise Erfolg oder Misserfolg und was nötig ist, die Mädchen zu motivieren. Ich denke, wie wichtig die psychische Einstellung von Mädchen für ihre Leistung beim Schach ist, wird oft unterschätzt und war daher sehr interessiert an den Anregungen, die Isabel uns mitgegeben hat.


Nach der Mittagspause folgte um 14:30 eine Präsentation unter dem Namen "Wie machen es andere? Frauenförderung in Sportverbänden des Deutschen Olympischen Sportbundes", gehalten von Kirsten Witte-Abe, der stellvertretenden Ressortleiterin Chancengleichheit. Anhand zahlreicher Beispiele zeigte sie, dass nicht nur im Schach ein Defizit an Frauen in ehrenamtlichen Führungspositionen herrscht, sondern dass dies bei vielen anderen Sportarten ebenso der Fall ist und dass der DOSB bemüht ist, Frauen für das Ehrenamt zu gewinnen. Darauf folgte eine Frage- und Diskussionsrunde, in der darüber informiert wurde, inwiefern der DOSB den DSB in seiner Frauenförderung unterstützen kann.


Im letzten Block des Tages begann die Projektentwicklung, welche für den Rest des Kongresses angesetzt war. In der großen Gruppe wurden zunächst Ideen zusammengetragen, wie man Mädchen- und Frauenschach fördern könnte. Dabei waren in jeglichen Bereichen Ideen vorhanden, für Frauen jedes Alters und jeder Spielstärke. Nachdem wir die Ideen etwas sortiert hatten, widmeten sich immer 4-6 Teilnehmer einer Idee und starteten Überlegungen, wie man diese zu einem konkreten Projekt entwickeln könnte. Diese wurden jedoch bald abgebrochen, da am Abend noch eine Stadtführung durch Weimar anstand. Unser Stadtführer zeigte uns in etwa einer Stunde die interessantesten Orte in Weimar und ließ durch seine von Goethe- und Schillerzitaten durchzogenen Erläuterungen keinen Zweifel daran, wie gut er sich mit der Geschichte Weimars auskannte. Ausklingen ließen wir den Abend bei einem gemeinsamen Essen im Restaurant "Schwarzer Bär".


Am nächsten Tag starteten wir wieder um 9:00 und setzten unsere Arbeit vom letzten Tag fort. Etwa zwei Stunden hatten wir, um unsere Projekte möglichst detailliert zu planen und auf Plakaten festzuhalten, um sie danach der Gruppe zu präsentieren. Es war wirklich interessant, zu sehen, was für Pläne in ein paar Stunden entwickelt werden können, wenn so viele Menschen mit ihrer Erfahrung in der Mädchen- und Frauenschacharbeit daran mitarbeiten. Eine Gruppe entwickelte zum Beispiel die Idee eines Mädchen-/ Frauenschachcamps, in dem immer eine erfahrene Spielerin eine neue Spielerin mitbringt, in einer anderen Gruppe wurde die Idee eines Flashmobs, um für Schach zu werben, entwickelt. Nach einer kurzen Feedbackrunde, die sehr positiv ausfiel, endete der Kongress um etwa 13:00 und nachdem Malte und ich noch abschließend für einen Beitrag zur Instagram-Story der Deutschen Schachjugend posierten, gingen wir alle getrennte Wege.

Abschließend kann ich sagen, dass der Kongress eine wirklich schöne Erfahrung war. Einerseits war es toll, zu sehen, wie viele Leute, vor allem andere Mädchen und Frauen, in ganz Deutschland im Mädchenschach aktiv sind und auch mal ein schachliches Event zu besuchen, dessen Teilnehmerfeld nicht von Männern dominiert wird. Anderseits haben die Ideen und Erfahrungen der Teilnehmer, die sehr offen und freundlich waren und einen guten Austausch ermöglicht haben, wirklich viele Anregungen geliefert. Leider waren noch nicht alle Bundesländer vertreten, aber vielleicht ändert sich das ja in den nächsten Jahren noch und es wäre schön, wenn die Teilnehmeranzahl für nächstes Jahr, wo der Kongress vom 6.-8.9. statt finden wird, vielleicht durch schleswig-holsteinischen Zuwachs steigt.